Ruhige Kraft
Der Welte W210 mit zwei Fahrmotoren und starkem Kran.
Der Artikel ist erschienen im FORSTMASCHINEN-PROFI, Ausgabe Mai 2015. Autor: Julian Delbrügge
Wenn ein Forstunternehmer dicke Buche rückt, dann benötigt er vor allem eines: Kraft. Klaus Kohl entschied sich für eine Kraftquelle aus dem Hause Welte. Zwar ist der Dienstleister traditionell Welte-Stammkunde, doch Klaus Kohl lässt sich von seinem neuen W210 Sechsrad neu begeistern.
Er hieß Niklas und er blies mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 140 Kilometern in der Stunde. Der Orkan, der am 31. März durch Deutschland rauschte, rüttelte auch Bayern durch, und im schönsten Teil Bayerns, in Franken, brachte das Unwetter sogar Schnee. Das Mittelgebirge Rhön war am Tag danach für Stunden weiß gestrichen wie im tiefsten Winter. Eine grandiose Bühne für Kohls neuen Sechsrad-Welte W 210 mit Klemmbank.
Nie strahlte ein Welte-Skidder gelber. Und auch Kohl strahlt: „Ich habe mich schon gut eingelebt und freue mich auf jeden Arbeitstag.“ Mit „eingelebt“ meint der 45jährige Forstunternehmer besonders die Kabine, die so groß ist wie ein Wohnzimmer. Die Kanzel ist gegenüber der Vorgängerkabine um 30 Zentimeter breiter und um 35 Zentimeter länger geworden. Auf Nachfrage von FORSTMASCHINEN-PROFI erklärt Alexander Welte, Geschäftsführer Technik bei der Welte GmbH: „Wir haben die Ergonomie des Fahrers in den Vordergrund gestellt“. Denn die Steuerzentrale des Welte 210 bietet viel Luft zwischen Knien und Armaturen und lässt seltene Beinfreiheit für den
Maschinisten. Sie ermöglicht ihm eine sehr ergonomische Haltung, während er mit den Füßen auf den Pedalen steht. Das sorgt für ein ermüdungsfreieres Arbeiten. In manchen Kabinen dagegen sitzen insbesondere große Fahrer mit stark angewinkelten Beinen, während sie die Fahrpedale drücken. „Die Kabine ist sehr groß“, bringt es Kohl auf den Punkt, der einen Vergleich zu seiner Vorgänger-Maschine, einem alten 210er, ziehen kann: „Im Vorgänger bekam man kaum eine Motorsäge unter“, so der Unternehmer, der auf eine Ecke rechts der Tür weist. Dort haben die Welte-Konstrukteure nämlich sogar Platz für einen bequemen Notsitz gefunden. „Hier kann ich einen zweiten Mann, zum Beispiel einen Forstwirt, mitnehmen.“ Eine weitere Verbesserung der Kabine ist deren ebene Bodenfläche.
Keine A-Säulen
Eine weniger ebene, vielmehr geknickte Fläche findet sich an anderer Stelle. Denn die Heckscheibe des 210er streckt sich weit nach rechts und links, was durch die dreifach gekantete Fensterfläche möglich wurde, wodurch auf die beschränkenden A-Säulen verzichtet werden konnte. Ein Sichtfeld wie in einem Cabrio – nur eben geschlossen. „Sowas habe ich noch nicht erlebt“, begeistert sich Kohl an der Weitsicht. Die Kantung dieser „Lexan-Margard-Scheibe“ geht auf einen Wunsch von Alexander Welte zurück, der seinen Kabinenhersteller bat, eine Lösung zu finden, bei der auf seitliche Holme im hinteren Sichtbereich verzichtet werden kann. Üblicher ist es, die Scheiben auf Kante zu kleben, was aber auf Dauer nicht dicht bleibt.
Die neue Kabine, die der Forstmaschinenhersteller Welte im Juli 2014 auf der Messe Interforst vorstellte, bekam außerdem größere Türen und wirkt durch viele Kunststoffverblendungen insgesamt wohnlicher. Eine Ablage am Drehsitz für die Brotzeit sowie eine serienmäßige Kühlbox unterstreichen dies. Zudem ist der Fahrersitz um 360 Grad drehbar, wobei der Fahrer den jeweiligen Einrastpunkt selbst bestimmen kann. Außerdem gönnte sich Unternehmer Kohl die Option eines elektrischen Drehmotors im Sitz. Der Sitz ist mit Joysticks ausgestattet. Sein alter W210 besaß noch sogenannte Negerköpfe und Kohl schätzt, nach anfänglicher Skepsis, die neuen Steuermöglichkeiten. Denn sämtliche Funktionen wie das Vor- und Zurückfahren der Maschine, die Klemmbankbedienung und das Einlegen der Differentialsperren sind jetzt allein über die Joysticks möglich.
Bei aller Behaglichkeit wappneten die Welte- Konstrukteure die Kabine aber auch gegen die Belastungen in der Forstarbeit: Die Kabine hat die üblichen Prüfungen durchlaufen (ROPS, FOPS und OECD), und ist sogar auf eine hohe Belastung von 24 Tonnen geprüft, was laut Alexander Welte nicht viele Hersteller bieten. Was noch auffällt, ist die Ruhe in der Kabine. Das liegt einmal an ihrer guten Schalldämmung. Doch selbst bei geöffneter Kabinentür fällt eher das Gezwitscher der Amseln als das Gebrumme des Klemmbankschleppers auf. Das liegt einmal am neuen wassergekühlten Sechszylinder- Deutz, der aus 6,1 Litern Hubraum 245 PS stampft. Auch dieses Triebwerk stellte Welte auf der vergangenen Interforst vor, genügt es doch jetzt der neuesten Abgasvorschrift Tier 4 final. Der Abgasstrom wird nicht nur durch eine neue SCR-Anlage per Ad-Blue-Technik gereinigt, auch der Motor ist leiser geworden. Alexander Welte: „Das bringt die Abgasnorm mit sich.“ Denn um Tier 4 final zu erfüllen, stecken im Welte zwei Filter, der SCR-Filter und der Katalysator, die nicht nur Abgase, sondern auch Lärm schlucken. Zudem reduzierte Motorenhersteller Deutz die maximale Motordrehzahl von 2.300 Umdrehungen pro Minute bei 235 PS beim Motor der Tier-3-Norm auf 2.100 Umdrehungen bei 240 PS beim neuen Triebwerk. Hinzu kommt, dass die Leerlaufdrehzahl von 950 auf 650 Umdrehungen pro Minute gesenkt wurde.
Der Skidder schöpft seine Antriebskraft aus zwei Fahrmotoren, die über ein elektronisch gesteuertes Zweiganggetriebe die Maschine antreiben. Neu ist, dass die Fahr- und Arbeitspumpe nicht nebeneinander am Motor angeflanscht sind, sondern eine sogenannte Tandempumpe, also zwei Pumpen hintereinander, am Motor sitzt. Damit wurden Antriebsverluste zwischen Motor und Pumpen eingespart und in verfügbare Kraft umgewandelt. Generell ist der Vorteil von zwei Fahrmotoren, dass höhere Fahrgeschwindigkeiten bei gleichzeitig hoher Zugkraft bereitgestellt werden können. Die Zugkraft des W210 liegt bei rund 190 Kilonewton (entspricht 19 Tonnen).
Echte Welte-Fans
Die Forstunternehmer-Brüder Klaus und Wolfgang Kohl aus dem fränkischen Riedenberg führen das Unternehmen gemeinsam und sind schon lange Welte-Fans. Seit dem Jahr 1978 schickt das Familienunternehmen, das der Vater gründete, Schlepper der badischen Maschinenschmiede ins Holz. Neun Maschinen waren es seither, zuletzt rückte Wolfgang mit einem W 140 (FORSTMASCHINEN-PROFI berichtete in der Juni-Ausgabe 2012). Im Laufe der Arbeitseinsätze erwies sich der vierzylindrige Kombi-Schlepper aber als nicht kräftig genug für die steilen Hänge in der Rhön in Verbindung mit der hier stockenden dicken Buche. Als nun wieder eine neue Maschine anstand, war Klaus Kohl bewusst; es musste wieder ein kräftiger Sechszylinder sein. Also folgte auf den alten W210 ein neuer W210. Den Ausschlag gab auch die, wen wundert’s, große Kabine der auf der Interforst gezeigten Vierrad-Version. Aus Bodenschutzgründen und weil die Bayerischen Staatsforsten Vierrad-Maschinen diskriminieren und aus ihrem Wald verbannen wollen, kauften sich die Brüder den Sechsrad-210er. Dieser greift nicht nur auf zwei Räder mehr zurück, sondern trägt auch einen Kran hinter der Kabine, der vor Kraft kaum laufen könnte, würde er nicht gefahren werden. Der Forwarderkran X140F von Epsilon Palfinger verfügt über ein maximales Bruttohubmoment von 173 Kilonewtonmetern. Mit einer maximalen Reichweite von zehn Metern ist er das kräftigste und längste, was der österreichische Kranhersteller in dieser Kranklasse zu bieten hat. Bei maximaler Auslage reißt das Ungetüm mit Packzange noch rund 900 Kilogramm. „Das Arbeitsfeld, das man dadurch gewinnt, ist der Wahnsinn“, fasst Klaus Kohl, dessen Vorgänger- Maschine mit einem Loglift 111 mit 8,60 Meter Reichweite ausgestattet war, seine bisherigen Erfahrungen zusammen.
Seit Anfang März sitzt Kohl in seinem neuen Zuhause auf sechs Rädern. Fast andächtig, mit ruhiger Kraft, schieben die beiden Fahrmotoren den W210 die ansteigende Rückegasse hoch. Hier im Forstamt Bad Brückenau liegen zweitausend Festmeter Holz, gefällt von staatlichen Forstwirten, die noch immer bei der Arbeit sind. Hie und da blitzt ein helles Krachen durch den verschneiten Wald. Der Welte dagegen schnurrt ganz ruhig. Das zurückhaltende Brummen des Motors passt gar nicht zu der großen Maschine, die eine 1,6 Quadratmeter große Klemmbank trägt, als wäre sie ein Rieseninsekt mit Monsterfangzange. Doch welche Kraft im 9,60 Meter langen Welte steckt, zeigt sich, wenn sich das gelbe Rieseninsekt einen Schwung Buchen fängt. Ohne Hektik reckt sich der Epsilon-Kran nach rechts in den Nadel- Laubbaum-Mischbestand und legt seine Zange auf eine wuchtige Buche. Alle gewichtigen Buchen-Argumente nützen nichts, wenn die Zange schließt und der Kran den Stamm zwischen die Stahlzangen der Klemmbank zieht. Unternehmer Kohl hat seine Waffen bewusst gewählt: „Bei dem Starkholz in der Rhön ist dieser Kran notwendig.“ Fünf weitere Buchen folgen und werden vom Kran an die Klemmbank übergeben, die das Laubholz zu einem Bündel zwingt. Noch zwei Lärchen in die Packzange für unterwegs, und Klaus Kohl legt den Kippschalter am Joystick nach vorne, tritt aufs Fahrpedal und die Fahrpumpe presst 165 Liter Öl bei 1.000 Umdrehungen in den Hydrostat – der W 210 rollt vollgepackt, aber entspannt die Gasse bergab.
Klaus Kohl kann auf drei Modi zugreifen: So existieren ein reiner Fahr- sowie Arbeitsmodus. Der erste garantiert die maximale Fahrgeschwindigkeit von bis zu 36 Kilometern pro Stunde, im Arbeitsmodus lässt sich die Maschine auf 17 Kilometer pro Stunde beschleunigen, um auf dem Weg die Strecken zwischen den Poltern zu überbrücken. Wenn es steil wird, schaltet Kohl auf den Hangmodus, der Motor dreht dann höher und die Geschwindigkeit sinkt. Doch der W 210 soll nicht nur rücken, denn Kohl liefert auch Holz vor, weshalb er die Option Fahrfunk wählte. Vorgeliefert wird teils mit dem Kran: „Dank des Zehn-Meter- Auslegers stieg die Leistung um zirka 15 Prozent gegenüber dem Vorgängerkran“, so der Unternehmer, der als zweite Möglichkeit die Acht-Tonnen-Doppeltrommelwinde an Bord nutzt. Der Arbeitsablauf ist meist folgendermaßen: Klaus rückt das Langholz und liefert das Kurzholz vor, das der Bruder Wolfgang mit einem John-Deere-Forwarder 1210E rückt. „So erreichen wir die höchste Leistung“, weiß Klaus Kohl, der nur selten auf den Wechselkorb zurückgreift, den Welte serienmäßig für den W 210 vorsieht. Denn die Klemmbank ist eine Option, die der Kunde zusätzlich zum Korb kauft. Lediglich an diesem Tag muss Wolfgang noch einen anderen Bestand fertigrücken und ist nicht vor Ort.
Kohl blickt nach unten auf die Gasse. Die vergangenen Tage waren gnädig zum Forstunternehmer und erfreuten mit super Rücke-Wetter. Doch der Orkan Niklas brachte Dauerregen. Nun ist der Waldboden vollgesogen und die Gasse zu stark in Mitleidenschaft gezogen. Der Unternehmer beschließt in Absprache mit den fällenden staatlichen Forstwirten, das Rücken vorerst einzustellen. Zwar könnte er auch Moorbänder auf die 710 Millimeter breiten Hinterreifen aufziehen, doch das würde nicht lange helfen. Manchmal heißt gutes unternehmerisches Handeln eben aufhören.